Welche Zusatzqualifikationen für Psychotherapeut:innen gibt es?
In diesem Artikel werden Sie über die verschiedenen Möglichkeiten der Zusatzqualifikationen während der Weiterbildungszeit informiert. Es werden die Voraussetzungen, der Ablauf, sowie die Kosten für die Zusatzqualifikation beleuchtet.
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Wieso braucht man Zusatzqualifikationen?
Zusatzqualifizierungen stellen für Psychotherapeut:innen in Weiterbildung (PiAs) bzw. approbierte Psychotherapeut:innen eine zentrale Möglichkeit dar, die eigenen psychotherapeutischen Kompetenzen und den eigenen fachlichen Horizont zu erweitern. Für PiAs sind Zusatzqualifikationen auch insofern sehr bedeutend, da sie die Stellung auf dem Arbeitsmarkt sowie die Chancen auf eine Zulassung erhöhen können. Approbierte Psychotherapeut:innen müssen zudem, ob angestellt oder niedergelassen, in einem Zeitraum von fünf Jahren stets 250 Fortbildungspunkte bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen, da sie ansonsten ihre Zulassung verlieren. Die Weiterbildungen müssen dabei an staatlich anerkannten Ausbildungsstätten erfolgen und eigens finanziert werden.
Die Möglichkeiten für die Absolvierung einer Fortbildung gestalten sich als zahlreich und vielfältig. Der folgende Artikel soll Ihnen daher einen Überblick über zentrale und häufig gewählte Zusatzqualifikationen verschaffen, die bereits während der Ausbildungszeit absolviert werden können.
Ergänzungsqualifikation für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
PiAs und Psychotherapeut:innen haben die Möglichkeit, während ihrer Weiterbildung eine ergänzende Qualifikation für die Kinder- und Jugendpsychotherapie (KJP) zu erlangen. Die Qualifikation darf hierbei nur in dem Gebiet der Vertiefung erfolgen, in welchem auch die Approbation vorliegt bzw. später vorliegen soll. Die Fortbildung ermöglicht nach Erteilung der Approbation sowie Zulassung als Psychologische:r Psychotherapeut:in, entsprechende psychotherapeutische Leistungen bei privaten sowie gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Thematisch fokussiert die Zusatzqualifikation zentrale Störungsbilder samt Möglichkeiten der Behandlung bei Kindern und Jugendlichen, eine angemessene Kommunikationsgestaltung und Beziehungsgestaltung, Kompetenzen hinsichtlich der Mitbehandlung von Bezugspersonen sowie elementare psychotherapeutische Kompetenzen für die Behandlung von jungen Patient:innen. Strukturell betrachtet stellt die Qualifikation keine eigenständige Weiterbildung dar, sondern bildet eine reine Fortbildungsmöglichkeit auf Basis zu absolvierender und nachzuweisender Theorie- und Behandlungsstunden. Auch besteht keine abschließende Prüfung. Die Behandlungsstunden können während der Psychotherapieweiterbildung im Rahmen der praktischen Tätigkeit abgeleistet werden, zusätzliche Selbsterfahrung ist nicht vonnöten.
Die für die Qualifikation erforderlichen 200 Theoriestunden können meist in Blockseminaren und zeitlich flexibel belegt werden. Der praktische Teil erfolgt durch 5 unter Supervision abgeschlossene Behandlungen mit mindestens 180 Stunden. Es müssen nicht nur verschiedene Altersgruppen, sondern auch verschiedene Störungsbilder und Geschlechter behandelt werden. Die Supervision muss dabei jede vierte Stunde durchgeführt werden und insgesamt müssen 15 der insgesamt 45 Stunden als Einzelsupervision erfolgen. Es besteht zudem die Möglichkeit, Theoriestunden aus der Erwachsenenbildung sowie Behandlungsfälle aus der praktischen Tätigkeit für die Qualifizierung anrechnen zu lassen. Hierbei gilt es, die genauen Bestimmungen der jeweiligen Institute zu beachten. Letzteres ist auch von Bedeutung, wenn es um die Zugangsvoraussetzungen für die Fortbildung geht. Oft gilt hier jeweils eine gewisse Anzahl an Unterrichtseinheiten der Theorie und Selbsterfahrung als Voraussetzung sowie eine bestimmte Stundenzahl an praktischer Tätigkeit. Die Kosten für die Zusatzqualifizierung variieren von Institut zu Institut. Für den Theorieteil sind circa 2500 - 3000 Euro einzuplanen. Die Supervisionskosten werden separat abgerechnet.
Psychotraumatherapie
Da traumatischen Lebensereignissen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von verschiedenen Störungsbildern eine große Bedeutung zukommt, bildet es die Möglichkeit für bereits approbierte Psychotherapeut:innen wie auch PiAs in fortgeschrittener Ausbildung, ihre Kompetenzen durch eine Zusatzqualifikation im Bereich der Psychotraumatherapie zu erweitern. Einige psychotherapeutische Einrichtungen setzen diese Zusatzqualifizierung zudem für die Arbeit mit Patient:innen, welche an einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erkrankt sind, voraus.
Im Rahmen der Fortbildung erlernen Teilnehmer:innen neue therapeutische Techniken und spezifische psychotraumatologische Kenntnisse. Dabei werden sowohl theoretische als auch praktische Elemente integriert. Der Standard für die Zusatzqualifizierung orientiert sich an den Richtlinien der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatherapie (DeGPT). Um das Zertifikat “Spezielle Traumatherapie” zu erlangen, sieht die DeGPT ein Curriculum vor, welches 140 Stunden (Unterrichtseinheiten (UE) á 45 Minuten) umfasst. Darunter fallen 7 Theoriemodule mit Vorträgen und Übungen (112 UE), eins von drei Vertiefungsmodulen (16 UE), die traumatherapie-spezifische Selbsterfahrung (8 UE), die Behandlung von Patient:innen unter Supervision (20 UE) sowie ein Abschlusskolloquium. Um das Zertifikat zu erwerben, müssen mindestens 4 Psychotraumabehandlungen von Fällen mit verschiedenen Störungsbildern im Rahmen von mindestens 50 Behandlungsstunden durchgeführt werden. Diese müssen supervidiert wie auch dokumentiert werden. Auch sollte bei allen Behandlungen eine vollständige Diagnostik mit mindestens zwei trauma-spezifischen Testverfahren nachgewiesen werden.
Im Kontext der Psychotraumatherapie kann auch eine Fortbildung zur Abrechnungsgenehmigung für Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EDMR) erlangt werden. Das EDMR hat als therapeutische Intervention eine zentrale Rolle inne, da es bei der Behandlung von Traumafolgestörungen nicht nur eine Symptomreduktion, sondern auch eine Synthese bisher unverarbeiteter Erfahrungen bewirken kann. Dabei kann es trotz seiner Effektivität als mildes Behandlungsverfahren gezählt werden. Will man EDMR als Kassenleistung abrechnen, was seit 2014 als Methode zur Therapie der PTBS bei Erwachsenen durch die Psychotherapie-Vereinbarung anerkannt wurde, muss man mindestens 40 Stunden Theoriekenntnisse der Traumabehandlung und EDMR nachweisen. Zudem muss der Nachweis erbracht werden, dass mindestens 40 Stunden Einzeltherapie (mit mindestens 5 abgeschlossenen EMDR Behandlungsabschnitten) unter Supervision von mindestens 10 Stunden mit EMDR durchgeführt wurden.
Zweite Fachkunde
PiAs haben auch die Möglichkeit, neben der eigentlich gewählten Fachkunde die Zusatzqualifikation für eine weitere Fachkunde in einem evidenzbasierten und wissenschaftlich begründeten Psychotherapieverfahren zu absolvieren. Auch mit dieser Qualifikation kann eine zusätzliche Abrechnungsgenehmigung erlangt werden. Eine zweite Fachkunde stellt in jeder Hinsicht eine Erweiterung der psychotherapeutischen Handlungskompetenz dar und erhöht die Wahrscheinlichkeit, eine sozialrechtliche Zulassung zu erlangen.
Für das Erreichen der Zusatzqualifikation ist vorgesehen, 400 Stunden Theoriekenntnis in der jeweiligen Fachkunde zu erwerben, meist in Form von Blockseminaren. In diesem Rahmen müssen sechs abgeschlossene Behandlungsfälle samt mindestens 600 Behandlungsstunden durchgeführt und nachgewiesen werden. Die Sitzungen müssen in einem Verhältnis von 4:1 supervidiert werden. Daneben liegt ein weiteres Element der Weiterbildung in der Selbsterfahrung im Verfahren, welche sich über mindestens 120 Stunden erstrecken muss, um die Qualifikation zu erlangen. Eine Abschlussprüfung ist nicht erforderlich.
Entspannungsverfahren
Entspannungsverfahren bilden ein zentrales Instrument im Werkzeugkasten von Psychotherapeut:innen, da sie bei regelmäßiger Übung dazu beitragen können, das Grundlevel an Anspannung bei Patient:innen zu verringern. Während therapeutischen Sitzungen kann man Patient:innen so aufnahmefähiger für Inhalte machen beziehungsweise nach besonders emotional aufwühlenden Sitzungen das Anspannungsniveau herabsenken. Diese Kompetenz kann Patient:innen auch in belastenden Lebenssituationen außerhalb der Therapie nützlich sein. In diesem Rahmen werden Inhalte der klassischen Entspannungsverfahren angewandt, so etwa die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, das Autogene Training oder auch imaginative Verfahren. Die Auseinandersetzung und das Erlernen von zahlreichen Übungen, welche später in die Sitzungen implementiert werden können, stellen dabei auch für Therapeut:innen ein wichtiges Tool dar, wenn es darum geht, sich des eigenen Umgangs mit Stress bewusst zu machen. Wie bei allen anderen Zusatzqualifikationen auch, befähigt die Qualifikation für Entspannungsverfahren Therapeut:innen letztlich dazu, das Verfahren durchführen sowie abrechnen zu können. Benötigt wird hierfür der Nachweis einer erfolgreichen Teilnahme an zwei Kursen von jeweils 8 Doppelstunden im Abstand von mindestens 6 Monaten. Die Kosten für die Zusatzqualifizierung belaufen sich auf circa 500 €.
Gruppentherapie
In der Verhaltenstherapie bildet die Gruppentherapie ein wichtiges Mittel und kann Patient:innen einen interaktiven Zugang zu ihrer Erkrankung ermöglichen. Hierbei können nicht nur Unterstützung und Wertschätzung durch andere Patient:innen erfahren werden, auch erfolgt ein anderer Zugang zu Wissen über das Störungsbild, welches nicht einzig in der Einzeltherapie vermittelt wird, sondern vielmehr im Kontext der Beobachtung anderer erlernt wird. Im Rahmen der Gruppentherapie können daneben zwischenmenschliche Fähigkeiten ausgebaut und gestärkt werden. Auch für die Zusatzqualifikation der Gruppentherapie, welche es ermöglicht, entsprechende Leistungen nach der Approbation durchzuführen und abzurechnen, bestehen nach der Psychotherapie-Vereinbarung bestimmte Voraussetzungen. Diese umfassen sowohl 24 Doppelstunden der Theorie und 60 Doppelstunden der Gruppenpsychotherapie in mindestens zwei verschiedenen Gruppen. Daneben sind 40 Doppelstunden Selbsterfahrung in der Gruppe und 40 Stunden Supervision abzulegen.
Schematherapie
Die Schematherapie entspringt der traditionellen kognitiven Verhaltenstherapie und ist integrativ samt imaginativer, erlebnisorientierter und gestalttherapeutischer Strategien. Als “Schemata” gelten im Rahmen des Ansatzes dysfunktionale Lebensmuster, welche während des Aufwachsens entwickelt wurden und seitdem fortwährend die psychische Entwicklung der Patient:innen behindern. Das Ziel der Therapie liegt darin, diese dysfunktionalen Schemata auszumachen und ihre Wirkung auf das heutige Erleben im Laufe der Behandlung zu verringern.
Für das Erreichen der Zusatzqualifikation in Standardform sind nach Richtlinien der International Society of Schema Therapy (ISST) mindestens 25 Stunden Theorie zu absolvieren, mindestens 15 Stunden supervidierte Rollenspiele in Gruppen sowie 20 Einzelsupervisionen á 50-60 Minuten bzw. 20 Einheiten Einzelanteil an Gruppensupervision. Der jeweilige Supervisor muss beim ISST anerkannt sein. Daneben gilt es, zwei Fälle mit mindestens je 25 Schematherapiesitzungen vorzuweisen, wobei einer dieser Patient:innen eine Borderline-Persönlichkeitsstörung aufweisen muss. Die Mindestanzahl der Schematherapiestunden beträgt 80 Sitzungen. Auch ist es wichtig, ein Zertifizierungsvideo anzufertigen. Dieses sollte ein Band umfassen, welches eine Persönlichkeitsstörung zeigt und mit einer Punktzahl von mindestens 4.0 auf der Schematherapie Kompetenz-Rating-Skala (STCRS), einer spezifisch initiierten Bewertungsskala, geratet wurde. Eine solche abschließende Bewertung muss von einem/einer fortgeschrittenen und zertifizierten Schematherapeut:in vorgenommen werden, der/die nicht als Supervisior:in des/der Trainee:s tätig war und beide sich auch auf persönlicher Ebene wenig vertraut sind. Selbsterfahrung und Gruppensupervision sind bei der Zusatzqualifikation zur Schematherapie optionale Elemente, werden aber von dem ISST empfohlen. Für die theoretischen Einheiten fallen ca. 1500 € an, die Abrechnung der Supervision erfolgt auch hier unabhängig.
Unser Fazit
Zusatzqualifizierungen bilden ein zentrales Element des therapeutischen Alltags, da sie nach der Approbation in bestimmtem Maße verpflichtend sind und bereits innerhalb der Weiterbildung hilfreich sein können, um die Stellung auf dem Arbeitsmarkt sowie die Chancen auf eine Zulassung zu erhöhen. Zudem können so Kosten gespart werden, da beispielsweise Supervision im Rahmen der Weiterbildung auch für die Zusatzqualifikation genutzt werden kann. Angeboten werden die Zusatzqualifizierungen von staatlich anerkannten Ausbildungsstätten, wobei die Finanzierung den Psychotherapeut:innen selbst obliegt. Beispiele für Weiterbildungen wären die Zusatzqualifizierungen für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, die Psychotraumatherapie, eine zweite Fachkunde, Entspannungsverfahren, die Gruppen- sowie Schematherapie. Dabei gilt es zu beachten, dass jede Art der Weiterbildung eigene Kriterien hat, was die Voraussetzungen für die Teilnahme und die letztliche Zertifizierung betrifft. Auch sind die Kosten für die Qualifizierungen entsprechend variabel, wobei PiAs häufig Vergünstigungen erhalten. Die Angebote der jeweiligen Institute sind meist zeitlich flexibel und können somit, wenn auch mit entscheidendem Mehraufwand, in die Weiterbildung integriert werden.
Quellen:
https://www.app-koeln.de/fortbildung/erganzungsqualifikation-kjp/kosten-rahmenbedingungen/
https://akip.uk-koeln.de/aus-fort-weiterbildung/kjp-zusatzqualifikation/
https://www.vfkv.de/fortbildung/zusatzqualifikationen/weiterbildung-in-kjp-fuer-pp/
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https://www.wips-saar.de/index.php?article_id=45&clang=1
https://www.ast-dortmund.de/zweite-fachkunde
https://www.ast-dortmund.de/zweite-fachkunde-fuer-bereits-appro
https://www.psychologenakademie.de/weiterbildung/traumatherapie-ausbildung/
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https://www.dgvt-fortbildung.de/seminar/seminar/111?cHash=282997f493e8042859d644c83615772c
https://www.gfvt.de/zusatzqualifikation-gruppe/
Sipos, V., & Schweiger, U. (2019). Gruppentherapie (Vol. 6). Hogrefe Verlag.
https://www.vfkv.de/fortbildung/zusatzqualifikationen/gruppentherapie/
https://www.mapp-institut.de/zusatzqualifikationen/
https://www.vfkv.de/fortbildung/zusatzqualifikationen/schematherapie/
https://www.schematherapie-frankfurt.de/index.php/curricula-mainmenu/zertifizierung-mainmenu-2
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