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Neujahrsvorsätze: Fluch oder Segen für die psychotherapeutische Arbeit?

Anna Hofmann

Anna Hofmann

31.1.2025
, Update vom
31.1.2025

Neues Jahr, neues Glück? Jedes Jahr nehmen wir uns Großes vor – mehr Sport, weniger Stress, gesündere Ernährung. Doch oft bleibt von den guten Vorsätzen nach wenigen Wochen nur Ernüchterung übrig. Warum ist das so? Und gibt es einen besseren Weg, echte Veränderungen zu erreichen? In dieser Kolumne geht es um die Psychologie hinter Neujahrsvorsätzen, die größten Fallstricke und was wirklich hilft, um dranzubleiben. 🚀💡

Lesedauer: ca.

6

Minuten

Frohes neues Jahr, meine lieben Leser:innen!

Ich freue mich, auch 2025 Themen aus meinem Alltag als Psychotherapeutin mit euch teilen zu dürfen. Während meiner kleinen Auszeit im Schnee habe ich mich – wie vermutlich alle Menschen – mit meinen persönlichen Zielen für 2025 auseinandergesetzt und ich dachte mir, dass ich mit der folgenden Frage ins neue Jahr starte: 

Neujahrsvorsätze: Fluch oder Segen für die psychotherapeutische Arbeit?

Mit dem Jahreswechsel kommen die Neujahrsvorsätze – ein Phänomen, das wir nicht nur bei uns, sondern auch bei Patient:innen beobachten. „Ich möchte weniger Stress“, „Ich will endlich gesünder leben“, oder „Ich möchte achtsamer mit mir umgehen“ – die guten Vorsätze scheinen auf den ersten Blick motivierend und lösungsorientiert. Doch wie so oft verspüren unsere Patient:innen und auch wir persönlich bereits wenige Wochen später die Ernüchterung: „Es hat wieder nicht geklappt.“

Aus dieser Frustration ergeben sich folgende Fragestellungen: Wieso machen Menschen überhaupt Neujahrsvorsätze? Wieso scheitern Neujahrsvorsätze? Was bedeutet das für unsere Arbeit? Sind Neujahrsvorsätze eher hinderlich oder eine Chance, nachhaltige Veränderungen zu fördern? 

Die Psychodynamik der Neujahrsvorsätze

Fangen wir vorne an, wieso machen Menschen Neujahrsvorsätze und wie können wir das in der Therapie mit unseren Patient:innen nutzen?

Neujahrsvorsätze sind mehr als nur ein kultureller Trend. Sie spiegeln oft tieferliegende Wünsche nach einem „besseren Selbst“ wider. In unserer Praxis begegnen uns solche Vorsätze häufig in Form von Selbstvorwürfen („Warum schaffe ich das nicht?“) oder als Ausdruck einer inneren Ambivalenz. Einerseits besteht der Wunsch nach Veränderung, andererseits eine starke Bindung an alte, vertraute Muster.

Hier können wir als Therapeut:innen ansetzen, um das zugrunde liegende Bedürfnis hinter dem Vorsatz zu erkunden: Geht es wirklich um die angestrebte Verhaltensänderung? Oder vielleicht um das Bedürfnis nach Anerkennung, Kontrolle oder einem tieferen Gefühl von Selbstwirksamkeit?

Warum Vorsätze oft scheitern

Nun zu der spannendsten Frage, wieso scheitern die meisten Neujahrsvorsätze, die zu Beginn so motiviert umgesetzt werden?

Ich starte mit zwei Faktoren, welche womöglich für das Misslingen mitverantwortlich sein könnten - die unrealistischen Erwartungen und die fehlende Klarheit über die Ziele der Neujahrsvorsätze. In der Therapie erleben wir oft, dass Patient:innen sich von einem idealisierten Bild leiten lassen, das schwer mit ihrem tatsächlichen Alltag zu vereinbaren ist. „Alles oder nichts“-Denken spielt dabei eine zentrale Rolle: Entweder ich halte den Vorsatz perfekt ein, oder ich habe versagt.

Auch die innere Kritikerin/der innere Kritiker mischt häufig mit: Misslingt der Vorsatz, wird dies als persönliches Versagen interpretiert, was Scham und Resignation verstärken kann. Diese Dynamik bietet uns als Therapeut:innen die Gelegenheit, zentrale Themen wie Selbstwert, Perfektionismus und Selbstakzeptanz zu bearbeiten.

Neujahrsvorsätze als therapeutische Ressource

Letztlich bieten Neujahrsvorsätze trotz ihrer Tücken - meiner Meinung nach - auch fantastische Chancen. Sie sind eine natürliche Gelegenheit, um Veränderungsmotivation zu stärken und realistische, umsetzbare Ziele gemeinsam mit Patient:innen zu entwickeln. 

Dabei können wir folgende psychotherapeutische Strategien einsetzen:

  1. Den Vorsatz hinterfragen: Was steht wirklich hinter dem Ziel? Geht es um die äußere Veränderung (z. B. mehr Sport) oder um ein inneres Bedürfnis (z. B. sich gesünder und energievoller zu fühlen)?
  2. Realistische Ziele entwickeln: Ein großer Vorsatz wie „Ich will stressfreier leben“ kann in kleine, konkrete und messbare Schritte zerlegt werden – z. B. „Ich nehme mir zweimal pro Woche 15 Minuten für Entspannungsübungen.“
  3. Ressourcen aktivieren: Welche Fähigkeiten und Stärken bringen die Patientinnen bereits mit? Wie können diese genutzt werden, um den Vorsatz umzusetzen?
  4. Umgang mit Rückschlägen einüben: Rückschläge gehören zu jeder Veränderung. Sie können in der Therapie genutzt werden, um Selbstakzeptanz zu fördern und den Umgang mit Frustration zu verbessern.
  5. Ambivalenz würdigen: Veränderungen bedeuten auch, Abschied von alten Gewohnheiten zu nehmen. Die Ambivalenz gegenüber dem Vorsatz sollte nicht nur akzeptiert, sondern auch aktiv reflektiert werden.

Fazit

Neujahrsvorsätze können eine wunderbare Grundlage für die therapeutische Arbeit sein – wenn wir sie als Spiegel innerer Prozesse betrachten. Sie eröffnen uns die Möglichkeit, gemeinsam mit unseren Patient:innen Veränderungsmotivation zu stärken, innere Konflikte zu beleuchten und nachhaltige, realistische Ziele zu entwickeln. Und falls der Vorsatz scheitert? Dann bietet sich die Chance, die daraus entstehenden Emotionen als Teil der Arbeit an Selbstakzeptanz, Resilienz und der eigenen Frustrationstoleranz zu nutzen. Denn letztlich ist nicht der Vorsatz selbst entscheidend, sondern die Reise, die er anstößt.

Ich hoffe, der Artikel hat euch Lust auf eigene Vorsätze gemacht - diese könnt übrigens zu jeder Zeit im Jahr neu definieren und umsetzen - auch im Februar, da sind die Fitnessstudios sowieso wieder leerer ;-)

Eure Anna!

Autor:in

Anna Hofmann

Wissenschaftlich fundiert

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Psychologisch-medizinisch überprüft durch:

Anna, psychologische Psychotherapeutin

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