DiGA: elona therapy Depression - PZN 18458314

Die drei Wellen der Verhaltenstherapie

Mara B.

Mara B.

22.7.2022
, Update vom
31.7.2024

Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hat die Verhaltenstherapie eine zentrale Rolle in der Psychotherapie inne und gilt dabei als die am besten evaluierte und wissenschaftlich abgesicherte Therapieform. Nach anfänglichem Fokus auf die Behandlung von Depressionen bildet sie heute auch ein wichtiges Instrument zur psychotherapeutischen Behandlung von diversen Störungsbildern. Im Hinblick auf die Ursache psychischer Störungen orientiert man sich dabei an grundlegenden lerntheoretischen Prinzipien, welche ausgehend von der Interaktion sozialer und biologischer Wirkfaktoren, offenem Verhalten, sowie übermittelten kognitiven Prozessen wirksam werden sollen. Schemata und dysfunktionale Kognitionen, wie etwa Fehlinterpretationen, Wahrnehmungsverzerrungen und negative Bewertungen, tragen nach der Theorie zur Ätiologie bei.In der Verhaltenstherapie soll sich die Symptomatik der Patient:innen demnach durch die Veränderung dysfunktionaler Kognitionen, Metakognitionen und Schemata verbessern und durch neue, funktionale Verhaltensweisen ersetzt werden.Im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte unterlag die kognitive Verhaltenstherapie zahlreichen Veränderungen und Entwicklungen. Bei der Betrachtung dieser Entwicklungen unterscheidet man heute in chronologischer Reihenfolge drei Wellen bzw. Phasen. Die Historie gliedert sich in eine anfängliche behaviorale Phase, eine folgende kognitiv-behaviorale Phase und zuletzt in die sogenannte »dritte Welle« der Verhaltenstherapie. Der folgende Artikel bietet Ihnen einen Überblick über den Wandel der Therapieform über die Zeit.

Lesedauer: ca.

13

Minuten

Die behaviorale Phase

Die erste Phase der Verhaltenstherapie zeichnete sich durch ihre klare naturwissenschaftliche Orientierung und empirische Begründung aus. Das zentrale Bestreben bildete die Entwicklung und Umsetzung lerntheoretischer Modelle in therapeutische Interventionen. Die grundlegenden Lerntheorien aus der experimentellen Psychologie wurden dabei auf Verhaltensprobleme und klinische Störungsbilder angewandt. 

Die Veränderung des Verhaltens erfolgte sowohl in direkter Weise, zum Beispiel im Rahmen von Fertigkeitstraining, oder durch die Veränderung der Umwelt, indem man die Token Economy einsetzt. 

Der Ansatz dieser frühen Bewegung, welcher in seinem Charakter oft als reduktionistisch bezeichnet wurde, stieß dabei schon früh auf Widerstand vonseiten anderer Therapieschulen, insbesondere der Psychoanalyse. Diese war in ihrer Herangehensweise vergleichsweise eher hermeneutisch ausgerichtet und stand in einer geisteswissenschaftlichen Tradition.

Die frühe Ausrichtung der Verhaltenstherapie musste mit der Zeit erkennen, dass sie die Komplexität klinischer Störungsbilder nicht ausreichend erfassen konnte. Zwar konnten hinsichtlich der Analyse von Verhalten, etwa in Bezug auf den Nachweis der Bedeutsamkeit von Konditionierungsmethoden, wichtige Fortschritte erzielt werden. Allerdings verschob sich der Fokus von dem Bestreben, rein beobachtbares Verhalten zu verändern, hin zu der Erkenntnis, dass Interpretations- und Bewertungsprozessen eine größere Bedeutung zukommen müsse. Diese Erkenntnis ebnete den Weg für eine Veränderung hin zu der kognitiv-behavioralen Phase der Verhaltenstherapie.

Die kognitiv-behaviorale Phase 

Mit der “kognitiven Wende” der 60er Jahre wurde die theoretische Grundlage der Verhaltenstherapie erweitert und der Grundstein für folgende, bis heute elementare Modellentwicklungen gesetzt. Mehr und mehr rückte die Beschäftigung mit der Innenwelt in den Vordergrund. Dies war als Entwicklung ausgehend von der Kritik, nach welcher sich der alleinige Fokus auf simplifizierte Lerngesetze der experimentellen Psychologie nicht mit der Bedeutung von kognitiven Prozessen bei der Aufrechterhaltung psychischer Störungen vereinbaren ließ.

Sowohl systematische Denkfehler und irrationale Gedanken, als auch dysfunktionale Schemata dienten folgend als Erklärung für das Störungsverhalten. Auch Schemakonzepte und Pläne fanden zunehmenden Einsatz, vor allem in der Behandlung von ambulanten Patient:innen. Bis in die 80er Jahre hinein entwickelte sich die kognitiv-behaviorale Betrachtung stetig weiter, hin zu vorrangig störungsspezifischen Ansätzen samt spezifischer Modelle der Entstehung und Aufrechterhaltung von Störungsbildern. 

Es gilt festzuhalten, dass die in diesen Jahren entstandene Kognitive Verhaltenstherapie nicht intendierte, ursprüngliche Termini und Modelle der behavioralen Phase gänzlich zu verwerfen. Vielmehr sollten Interventionen nicht mehr nur auf das Ziel der Verhaltensänderung beschränkt sein, sondern insofern eine Erweiterung erfahren, als dass auch die Innenwelt der Patient:innen Ziel der Veränderungsprozesse wurde. Ursprüngliche Methoden, wie etwa die Expositionsverfahren, wurden weiterhin eingesetzt, allerdings unter neuen Aspekten betrachtet. So erfolgte eine Exposition nicht mehr nur unter dem Aspekt der Habituation, sondern die Rolle der Kognitionen wurden ebenfalls beleuchtet. Die Tatsache, dass die Verhaltenstherapie und die Kognitive Verhaltenstherapie heutzutage an vielerlei Stelle als Synonym verwendet werden, verdeutlicht die Wichtigkeit der Entwicklungen dieser Phase.

Die Dritte Welle 

Blickt man auf die vergangenen 20 Jahre zurück, so ereignete sich eine erneute Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie. Ursprung dieser waren Schwierigkeiten in der Behandlung spezifischer Patient:innengruppen. Linehan etwa beobachtete, dass ihre Patien:tinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen auf die herkömmlichen kognitiv-behavioralen Therapiestrategien nur bedingt ansprachen, weshalb sie insbesondere Achtsamkeit und Akzeptanz als wichtige Pfeiler in ihre Therapie aufnahm - und somit die Grundlage für die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) schuf. Young dagegen machte die Beobachtung, dass viele Patient:innen, vor allem solche mit chronischer Depression oder Persönlichkeitsstörungen, nicht von strukturierten Kurzzeitprogrammen profitierten, weshalb er psychodynamische, hypnotherapeutische und interpersonelle Ansätze mit in seine Behandlung aufnahm. Aus diesem Ansatz heraus entwickelte sich folgend die Schematherapie. Hayes und Kollegen betonten daneben die Wichtigkeit von Akzeptanz und die Arbeit mit Werten, was die Entwicklung der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) bedingte. 

Auch trat der Fokus in den Vordergrund, welche Haltung Patient:innen ihren Kognitionen gegenüber einnehmen, wodurch die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie sowie die Metakognitive Therapie entstand.

Ähnlich wie bei dem Übergang von der behavioralen zur kognitiv-behavioralen Phase sah man sich auch an diesem Punkt bemüht, die ursprünglichen kognitiven Ansätze nicht gänzlich zu verwerfen, sondern eine Erweiterung zu den bereits praktizierten Ansätzen zu schaffen.

Die Dritte Welle – eine berechtigte Bezeichnung? 

Generell gestalteten sich die Entwicklungen innerhalb der 90er Jahre als sehr heterogen, wenn man davon absieht, dass alle Entwicklungen die Beziehung zwischen Patient:in und Therapeut:in betonten. 

Einerseits wurde dabei von einigen Strömungen die verhaltensanalytischen Tradition wieder betont. In der Funktional Analytischen Psychotherapie (FAP), der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT), Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) und der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) spielen operante Prozesse wieder eine zentrale Rolle. Dadurch wurden in diesem Zuge Stimmen laut, welche die Grundsätzlichkeit dieser Neuentwicklungen und somit die Berechtigung der Bezeichnung als “dritte Welle” hinterfragten. 

Auf der anderen Seite prägen Konstrukte wie die der Akzeptanz, Achtsamkeit und Spiritualität insbesondere die Dialektisch-Behavioralen Verhaltenstherapie (DBT), behavior change techniques (BCT), die Mindfulness Based Cognitive Therapy (MBCT) und die ACT, weshalb andere Verhaltenstherapeut:innen sich mit der Frage konfrontiert sahen, inwiefern die Impulse der “dritten Welle” noch mit den wissenschaftlichen Grundprinzipien der ursprünglichen Verhaltenstherapie kompatibel waren.

Unabhängig von der begrifflichen Debatte gilt es festzuhalten, dass die in dieser Zeit entstandenen Ansätze und Therapieformen wichtige Neuerungen umfassen, die bis heute die Effizienz der Kognitiven Verhaltenstherapie zentral prägen. Im Folgenden sollen dabei exemplarisch die ACT sowie das CBASP vorgestellt werden.

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT)

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) ist empirisch breit abgesichert und findet  als transdiagnostischer Ansatz vielfältigen Einsatz, so etwa im Rahmen der Behandlung von Depressionen, Angststörungen und körperlichen Beschwerden. Nach dem zugrundeliegenden Modell menschlichen Verhaltens, bilden die Konstrukte der kognitiven Fusion und der Erlebnisvermeidung zentrale Aspekte für die Entstehung psychischer Erkrankungen. 

Im Rahmen der Therapie adressiert die ACT weniger die Kognitionen selbst, als vielmehr die Art und Weise, wie die Patient:innen auf diese reagieren und Bezug nehmen. 

Der Fokus der Behandlung liegt dabei auf Achtsamkeits- und Akzeptanztechniken, welche die Entwicklung psychischer Flexibilität sowie eine an persönlichen Werten und Zielen orientierte Lebensführung anstreben. 

elona therapy integriert Elemente der ACT in die entwickelten Programme zur Behandlung von Angststörungen. Hierbei werden den Patient:innen die Grundlagen und wichtigsten Konzepte der Therapieform auf verständliche Weise nahe gebracht, so etwa durch die bildliche Erklärung des Hexaflex-Modells oder durch Kurse zur Erschließung der eigenen Werte und Akzeptanzvorstellungen. Auch werden verschiedene Übungen, beispielsweise zur Defusion von Gedanken, bereitgestellt.

Cognitive Behavioral Analysis System (CBASP)

Das Cognitive Behavioral Analysis System (CBASP) bildet die erste Psychotherapieform, welche störungsspezifisch für chronisch depressive Patient:innen entwickelt wurde. Das Verfahren kann dabei als schulübergreifend charakterisiert werden, da es sowohl verhaltenstherapeutische und kognitive, wie auch interpersonelle und psychodynamische Ansätze in die Behandlung integriert. Die Grundannahme besteht dabei darin, dass chronisch depressive Patient:innen eine Entwicklungsblockade aufweisen, welche aus interpersonellen Erfahrungen herrührt. Dies mögen etwa Verlusterfahrungen, Misshandlungen oder Vernachlässigung sein. Angelehnt an Piagets Stufen der Entwicklung verharren chronisch depressive Patient:innen hinsichtlich ihres kognitiv-emotionalen Zustands in der präoperativen Stufe und sind somit auf dem Niveau von Kindern zwischen vier und sieben Jahren anzusiedeln. Als Konsequenz dieses Entwicklungsdefizits enstehen dysfunktionale Denk- und Verhaltensweisen, welche wiederum dazu führen, dass interpersonelle Situationen weniger gut gemeistert werden können. Lebensbelastungen und Entwicklungsaufgaben können im Folgenden nicht adäquat bewältigt werden. McCullough, der Begründer der Psychotherapieform, versteht das CBASP vorrangig als Lerntherapie, im Rahmen welcher sich die Patient:innen neue Denk- und Verhaltensweisen aneignen sollen. 

Daneben ist es das Ziel neue und korrigierende Beziehungserfahrungen zu erlernen, um die zurückliegenden traumatisierenden Erfahrungen zu heilen. 

Das CBASP ist bisher noch wenig evidenzbasiert, wenn man etwa den Vergleich zur ACT zieht. Dennoch indiziert die aktuelle Studienlage eine klare Empfehlung für die Verwendung des Verfahrens, wenn es um die Behandlung chronisch depressiver Patient:innen mit frühem Krankheitsbeginn bzw. Beziehungserfahrungen geht. 

elona therapy greift Elemente des CBASP auf, indem es im Rahmen entwickelter Kurse zur Behandlung von Depressionen etwa eine eigene Rubrik zum Thema “Beziehungen” ins Leben gerufen hat. In diesem Rahmen können frühere soziale Beziehungen etwa analysiert und im Hinblick auf die Erkrankung ergründet werden, sowie Situationsanalysen von den Patient:innen erstellt werden.

Unser Fazit

Blickt man auf die Entwicklung der KVT zurück, so lassen sich in der Entwicklung eine behaviorale, eine kognitiv-behaviorale Phase sowie eine “dritte Welle” der Verhaltenstherapie unterscheiden. Während die erste Phase dabei noch sehr an der experimentellen Psychologie und grundlegenden Lerngesetzen zur Ergründung problematischen Verhaltens orientiert war, erweiterte die kognitiv-behaviorale Phase diese Sichtweise um den Fokus auf die Innenwelt der Patient:innen. In den zurückliegenden 20 Jahren wiederum ereignete sich eine “dritte Welle” der Verhaltenstherapie, in welcher viele neue und zumeist heterogene Therapieformen entstanden sind. Viele dieser Therapieformen stehen dabei noch in der Tradition von Lerngesetzen, andere stellen neue Konstrukte, wie beispielsweise die Achtsamkeit, in den Vordergrund. 

Die ACT bildet als transdiagnostischer Ansatz eine wichtige evidenzbasierte Therapieform, die sich im Zuge der dritten Welle entwickelt hat und auch bei elona therapy zur Behandlung von Angststörungen eingesetzt wird. Zudem enthält elona therapy Elemente des CBASP, welches als Therapieform bei der Behandlung chronisch depressiver Patient:innen eine große Bedeutung hat und als Verfahren ebenfalls aus der “dritten Welle” der Verhaltenstherapie gewachsen ist.

Wittchen, H.-U., & Hoyer, J. (2011). Klinische Psychologie & Psychotherapie (2. Aufl.). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. http://doi.org/10.1007/978-3-642-13018-2

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/kognitive-therapie/7904

Heidenreich, T., & Michalak, J. (Eds.). (2013). Die» dritte Welle «der Verhaltenstherapie: Grundlagen und Praxis. Beltz.

Spitzer, N. (2015). Perfektionismus therapeutisch verändern und die Dritte Welle der Verhaltenstherapie–eine interessante Liaison?. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 47(1), 63-76. 

https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-55210-6_67

Autor:in

Mara B.

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Psychologisch-medizinisch überprüft durch:

Prof. Dr. Peter Neudeck

Anna, psychologische Psychotherapeutin

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